Kurzgeschichte: Quantenglück

Wikipedia sagt: „Die Frage, ob Elektronen oder Lichtquanten Teilchen oder Wellen seien, lässt sich nicht beantworten.“

Wenn man mal so richtig genau hinguckt, vielleicht aus einer durchaus etwas verklärten Perspektive, die sich einem manchmal eröffnet: dann checkt man, dass man eigentlich gar nichts checkt. Dass egal, wie gut man es sich erklärt, im Kern es unerklärlich bleibt. Dass eigentlich alles nur ein einziges verwirrendes Wunder ist. Jedenfalls aus der etwas verklärten Perspektive.

Aber manchmal auch aus der wissenschaftlichen. Darum hier mein Lieblingszitat von Wikipedia: „Der Welle-Teilchen-Dualismus ist eine Erkenntnis der Quantenphysik, wonach den Objekten der Quantenphysik gleichermaßen die Eigenschaften von klassischen Wellen wie die von klassischen Teilchen zugeschrieben werden müssen.“

Was das mit der heutigen Geschichte zu tun hat?
Alles oder nichts oder was dazwischen, da bin ich mir nicht so sicher. Sicher ist: Liest sich besser, wenn man so ein bisschen verklärt ist.

Quantenglück

Ein funkelndes Goldstück streckt sich, wirft Helligkeit, wirft Gelbglanz. Frisches Morgenlicht streichelt nackte Kopfhaut. Hey, fühl du auch mal, bitzelt schon fast wieder ein bisschen, oder? Fünf Finger tanzen darüber, vierzehn Glieder in einer harmonischen Choreografie, zauberhaft aufeinander abgestimmt. Helfen zwei Körpern, aus nächtlicher Nestwärme zu kriechen, entfalten weiche Stoffe, brühen schwarzen Reichtum auf. Duft ist unsichtbar, du musst ihn nicht suchen, er findet dich ohne Augen. Einatmen. Mehr Unsichtbares füllt Millionen Bläschen randvoll, mysteriöse Tauschbörsen zwischen der Welt und mir und dir, kein Atom bleibt ungeteilt.

Du lächelst über diesen Gedanken. Das erinnert dich, du hast da letztens erst gelesen: Wenn man ins Detail guckt und dabei gleichzeitig aber nicht hinguckt, weiß man nicht, ob das Kleinste im Kleinen, das da übrigbleibt, ob das fest ist, oder ob es schwingt. Nur wenn man es beobachtet, entscheidet es sich für einen Zustand, wenigstens für den Moment. Ich dann: Verrückt, so Worte. Symbole, die Inhalte über Form hinaustragen. Kladderadatsch und Simsalabim, Buchstabengespinster fliegen durch die Luft, Lächeln zieht die Mundwinkel schief und schön, Lachen am Frühstückstisch, jetzt ist hier ist gut ist jetzt ist Leben.

Der Blick nach draußen findet Tauperlenwunder auf tiefgrünen Gräsern. Rundes Wasser und Sonnenlicht basteln einen glitzernden Teppich, bare Füße glitschen darüber, Waden durchkämmen die Wiese, ein weißes Kleid wirbelt. Hinfallen lassen, dann spüren wie der Brustkorb vibriert. Denken: Lachen ist das Schnurren des Menschen. Passend dazu: streift ein dreifarbiges Kätzchen durchs Grashalmlabyrinth, schenkt mir ihres, teilt mit den Handflächen weiche Wärme. Staunen über so viel Vertrauen, anschmiegsames Wesen, atmend, wahrnehmbar, nicht ich und doch wieder auch ich, sauerstoffverbunden, geteilter Atem auf gleicher Erde.

In deine Augen, du liegst ja schon wieder neben mir, grünblaugraugesprenkelt, wie passen da eigentlich so viele Farben rein? Führen mich direkt ins Jetzt ins Hier ins Gut ins Leben, mit den Fingern nicht zu fassen, mit dem Verstand nicht zu greifen. Wenn man ins Detail guckt und dabei gleichzeitig aber nicht hinguckt, das sage diesmal ich, dann kannst du nicht mehr unterscheiden. Dann weißt du nicht mehr, ob die Farben noch fest sind oder ob sie schon schwingen, ob das noch Körper oder schon Seele ist, selbst vom Rhythmus eines Herzschlags unberührt, gerade du und gleichzeitig ich, immer ich gewesen, immer du, immer Welt. Wenn ich nicht hingucke, sondern nur fühle, dann existiert da kein Unterschied.

Und ich, und kein Wesen, muss mich mehr fürchten, vor dem, was kommt, wenn sich das funkelnde Goldstück zurück zur Erde neigt, wenn es hinter lila Wolken versinkt, wenn es schwarz um mich wird. Weil es dann nichts mehr zu fürchten gibt.

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